12. Kongress "Projekt Diplompatientin" – ein voller Erfolg
Vom 1. – 4. November 2012 fand in den Hörsälen des Klinikum Augsburg das „Projekt Diplompatientin®“ statt. Ziel der viertägigen Brustkrebs-Universität ist es, Patientinnen, Ärzten, Multiplikatoren aus dem Gesundheitswesen und am Thema Interessierten das neueste Wissen rund um die Erkrankung Brustkrebs in verständlicher Sprache zu vermitteln.
Das viertägige wissenschaftliche Programm unter der Verantwortung von PONS-Vorstandsvorsitzender Ursula Goldmann-Posch enthielt 44 Vorträge namhafter Krebsexperten, eine Informationsausstellung und umfasste alle Themenbereiche, die für Patientinnen wichtig sind – egal ob sie nun erstmals von der Diagnose betroffen sind, die Erstbehandlung abgeschlossen haben und sich in der Zeit der Nachsorge befinden, oder ob sie sich seit einem Rückfall erneut mit der Erkrankung auseinandersetzen müssen.
Abgerundet wurde das diesjährige Fortbildungsprogramm durch die Verleihung des mamazone-Wissenschaftspreises „Busenfreund“ (siehe Bild), einen Festgottesdienst und das mamazone-Meet-Einander.
Unser Foto zeigt die Verleihung des ersten Wissenschaftspreises von Patientinnen an Brustkrebsexperten, den „Busenfreund-Award 2012“. Er ging diesmal an Prof. Peter Schmid, Onkologe und Klinischer Direktor am Forschungsinstitut der „Sussex and Brighton Medical School“, England.
Im Bild (v.l.n.r.) der neu gewählte mamazone-Vorstand Elke Piepenbrink, Susanne Holzhäuser, Sieglinde Schärtl, mamazone-Gründerin und Ehrenvorsitzende Ursula Goldmann-Posch, der ebenfalls nominierte Kandidat Prof. Bernd Groner, Georg Speyer Haus, Frankfurt, mamazone-Gründungsmitglied und langjährige mamazone-Schatzmeisterin Waltraud Böving, Preisträger Prof. Dr. med. Peter Schmid und Dr. Kurt Gribl, Oberbürgermeister von Augsburg (Foto: Fred Schöllhorn).
Wenn die Wirtin nicht mehr so will, wie er!
Bericht über den 12. Kongress „Projekt Diplompatientin“ vom 1.- 4. November 2012 in Augsburg
Von Gertrud Rust, 8.11.2012
Wenn die Wirtin nicht mehr so will, wie er - damit sind Patientinnen mit dem Wunsch beschrieben, eine passive Opferrolle hinter sich zu lassen und zu versuchen, ihr Krankheitsschicksal künftig aktiv zu beeinflussen.
Das dazu notwendige Handwerkszeug, nämlich gründliche Information über die zentralen Aspekte einer Brustkrebserkrankung, war auch beim 12. Kongress „Projekt Diplompatientin“ von mamazone-Frauen und Forschung gegen Brustkrebs e.V. in Augsburg wieder umfänglich zu erwerben.
Im dauerhaft vollbesetzten Hörsaal 1 des Zentralklinikums Augsburg konnten heuer auch viele Ersthörerinnen verständlich formulierte medizinische Vorträge hochrangiger Brustkrebsspezialisten verfolgen.
Früherkennung
Am Anfang einer langen Brustkrebsgeschichte steht die Früherkennung. Prof. Dr. Silvia Heywang-Köbrunner vom Referenzzentrum Mammographie in München ging auf die Frage ein, ob ein Mammographiescreening auch für jüngere Frauen unter 50 sinnvoll sein könnte.
Bisher wird ein Screening im Altersbereich zwischen 50 und 69 Jahren angeboten, wobei laut Prof. Heywang-Köbrunner in diesem Alter bei den Teilnehmerinnen sowohl eine Verminderung der Sterblichkeitsrate, als auch eine verträglichere Therapie möglich wird, da
bei früh entdeckten, und somit kleineren Tumoren schonender operiert und zum Teil auf eine Chemotherapie verzichtet werden kann. Die Strahlenbelastung sei minimal und die Rate an Neueinbestellungen auf Grund unklarer Befunde bewege sich in einem Bereich unter vier Prozent.
Ein Problem stelle die Situation einer „Überdiagnose“ dar, das heißt, die Entdeckung eines Karzinoms im Screening, welches langsam wächst und welches der Patientin auch ohne Entdeckung nie Schwierigkeiten bereitet hätte. Letztere Vorhersage beruhe jedoch auf angreifbaren statistischen Berechnungen und setze nicht die Tatsache außer Kraft, dass mit Screening mehr behandlungsbedürftige Karzinome entdeckt werden als ohne dieses Verfahren.
Was gilt nun im Alter zwischen 40 und 49 Jahren? Zwar ist die Zahl neu auftretender Erkrankungen geringer, jedoch das Tumorwachstum häufig schneller und aggressiver. Auf Grund einer höheren Drüsenkörperdichte werden weniger Karzinome entdeckt, wodurch die Verminderung der Sterblichkeitsrate und die Zahl geretteter Leben sinkt. Auch scheinen neben einem etwas erhöhten Strahlenrisiko Falsch-Positiv-Befunde und Überdiagnosen häufiger.
Fazit: Im Alter unter 50 fällt die Risiko-Nutzen-Bilanz etwas ungünstiger aus, und die Diagnosestellung ist schwieriger. Hier wären somit weitere Studien mit Konzentration auf Qualitätssicherung nötig, ggfs. ergänzt durch Ultraschall.
TYPISIERUNG DES TUMORGEWEBES:
Nach einer geglückten Früherkennung und hoffentlich schonenden Operation steht zunächst die genaue Typisierung des Tumorgewebes an, denn Brustkrebs ist eine Krankheit mit vielen Namen und Gesichtern, wie Prof. Dr. Manfred Dietel vom Institut für Pathologie des Charité-Comprehensive-Cancer-Center Berlin betonte. Zur Auswahl der passenden Medikamente und Vorhersage des Therapieansprechens ist eine Analyse des Brusttumors von grundlegender Bedeutung (prätherapeutische Charakterisierung), um Fehl- bzw. Über- oder Unterbehandlungen zu vermeiden.
Besonders wichtig ist die Untersuchung des „richtigen Materials“, denn in den Zellen einer Stanzbiopsie sind neben Tumor- auch noch andere Zellen enthalten. In die Testung darf jedoch nur das Tumormaterial eingehen. Um Quantifizierungsprobleme zu lösen wird heute zunehmend auf eine Digitalisierung der Daten mit Computerauswertung zurück gegriffen. Ziele der molekularen Pathologie sind eine Einteilung von Brustkrebs in molekulare Untergruppen (Suptypisierung des Mamma-Karzinoms), durch die Verbindung von klinischen Merkmalen und Genexpressionsmustern. Somit entstehen low-risk, high-risk und intermediäre Gruppen, welche die Wahl einer immer maßgeschneiderteren Therapie erlauben.
DIE HER-FAMILIE:
Die HER-Familie, eine ebenfalls auf diesem Weg identifizierbare Untergruppe, stellte Prof. Dr. Peter Fasching vom Universitäts-Brustzentrum Erlangen vor. HER heißt human epidermal growth factor, und Brustkrebszellen der HER-Familie wachsen unter Einfluss dieses Faktors, den sie mittels geeigneter Andockstellen (Rezeptoren) an der Zelloberfläche anlagern. Von dort erfolgt dominosteinartig, über diffizile Signalkaskaden die Übertragung des Wachstumimpulses ins Zellinnere zum Zellkern, wo der Befehl zum Wachstum ausgelöst wird.
Der bekannteste Vertreter ist HER2, dessen Vorkommen mit Spezialtests (FISH-Test, CISH-Test, immunhistochemische Test) ermittelt wird. Von diesem vermutlich genetisch fixierten Tumortyp gehen stärkste Wachstumsimpulse aus. Jedoch ist das Wachstum auf zwei Wegen beeinflussbar: einmal durch Blockade der Andockstellen an der Zelloberfläche durch den Antikörper Trastuzumab, zum anderen durch die Hemmung der Signalweiterleitung ins Zellinnere mit dem Medikament Lapatinib. Deutliche Überlebensvorteile gehen leider mit erheblichen Nebenwirkungen einher, auch besteht die Gefahr einer Übertherapie. Bei Krankheitsfortschritt sind weitere medikamentöse Kombinationen möglich, die derzeit in Studien validiert werden (Lapatinib/Capecitabine, Trastuzumab/Pertuzumab, Trastuzumab/T-DM1). Das zentrale Problem für den Einsatz dieser neuen medikamentösen Optionen ist die zweifelsfreie Feststellung der HER2-Eigenschaft, was leider immer noch nicht durchgängig gelingt.
DER TRIPLE NEGATIVE BRUSTKREBS
Einen weiteren Brustkrebstyp beschrieb Prof. Dr. Arthur Wischnik, Direktor der Frauenklinik Augsburg, das Triple-negative Brust-Karzinom (TNBC). Der Name erklärt sich durch die völlige Abwesenheit jeglicher bisher bekannter Andockstelle, wie etwa die der HER2-, sowie der Östrogen- und Progesteron-Eigenschaft. Damit sind drei therapeutische Wege nicht beschreitbar, weshalb das Triple-negative Karzinom derzeit außer mit OP und Bestrahlung nur mit Chemotherapie behandelt wird.
Ausgefeilte molekularpathologische Untersuchungen zeigten jedoch eine große Unterschiedlichkeit innerhalb dieses Typs, sodass sich durch Ermittlung von „Unteruntergruppen“ neue Ansatzmöglichkeiten eröffnen könnten. In Erforschung stehen derzeit Wirksubstanzen, welche in Reparaturvorgänge auf DNA-Ebene eingreifen (sogenannte PARP-Inhibitoren), Stoffe, die die Blutgefäßneubildung am Tumor stören sollen (Neo-Angiogenesehemmer) und neue Chemotherapie-Schemata (auf der Basis von Platinsalzen).
Bemerkenswert beim Triple-negativen Karzinom ist, dass das Rückfallrisiko in den ersten drei Jahren nach Erkrankung am höchsten ist, jedoch sehr gute Ansprechraten (rund 80 Prozent) mittels Chemotherapie erreicht werden. Ab dem 5. Jahr scheint die Erkrankung zum Stillstand zu kommen.
CYP2D6 – DAS ZÜNGLEIN AN DER WAAGE
Andere Therapiewege stehen bei den hormonsensiblen Brustkrebstypen zur Verfügung, die
prinzipiell zwar gute Prognosen erlauben, dennoch nicht gänzlich ohne Hemmnisse bleiben.
So diskutierte Frau Prof. Dr. Hiltrud Brauch vom Fischer-Bosch-Institute of Clinical Pharmacology in Stuttgart die Therapiesicherheit von Tamoxifen, des ältesten und am besten untersuchten antiöstrogenen Medikaments mit bewährter Wirkung.
Dennoch: Tamoxifen ist ein Pro-Drug und muss mittels geeigneten Stoffwechsels in die eigentlich wirksame Substanz, dem Endoxifen, umgewandelt werden. Hierzu ist das Enzym CYP2D6 notwendig, im Falle eines Mangels entsteht der Status eines „poor metabolizer“,
was so viel bedeutet, dass die Patientin eine schlechte Verstoffwechslerin ist, eine Tatsache, die auf rund sieben Prozent der Frauen mit Brustkrebs zutrifft. Diese profitieren kaum von Tamoxifen, und es sind Alternativen wie etwa Aromatasehemmer in Erwägung zu ziehen.
Die Bestimmung von CYP2D6 ist jedoch nicht einfach, es existieren mehr als 100 genetische Varianten, wovon 24 klinisch wirksam sind. Ein Ausweg liefe über den Stoffwechselspiegel im Blutplasma, welcher mit der genetischen Eigenschaft in Zusammenhang steht. Allerdings existieren 200 Metabolite (Stoffwechselprodukte), deren Wirkung noch nicht im einzelnen erfasst ist.
Laborprobleme setzen jedoch nicht die Tatsache außer Kraft, dass bei poor metabolizern die
Rückfallzahl deutlich erhöht ist. Nach den Wechseljahren kann auf Aromatasehemmer gewechselt werden, für die Zeit vor den Wechseljahren wird derzeit leider keine Alternative zu Tamoxifen genannt.
PROBLEME MIT DER ANTIHORMONELLEN THERAPIE
Auch Frau Prof. Dr. Nadia Harbeck vom Brustzentrum der Frauen- und Poliklinik der TU München erläuterte Probleme der Antihormontherapie. Erste klinische Erfahrungen wurden bereits 1896 gemacht, als die Entfernung der Eierstöcke einen therapeutischen Effekt auf das Mamma-Karzinom ergab. Die Antihormontherapie kann somit als die am längsten etablierte systemische Therapie gelten, bei welcher der Wachstumsfaktor Östrogen auf verschiedenen Wegen neutralisiert werden soll.
Rund 75 Prozent aller Brusttumore wachsen östrogenabhängig. Bei der Wahl der Therapie ist zu unterscheiden das Frühstadium oder die metastasierte Situation, ebenso das Vorliegen der Prä- oder Postmenopause. Prämenopausal kommen in Kombination mit Tamoxifen GnRH-Analoga zum Einsatz, welche die Östrogenproduktion in den Eierstöcken unterdrücken. Postmenopausal wird nacheinander mit Tamoxifen und Aromatasehemmern therapiert, wobei letztere ein für die Herstellung von Östrogen notwendiges Enzym blockieren. Eine antihormonelle Behandlung ist zwar besser verträglich als eine Chemotherapie, jedoch ist von Patientin zu Patientin ein unterschiedliches Ausmaß an Nebenwirkungen möglich. Dies führt in rund 50 Prozent der Fälle zu einem Therapieabbruch, und die geplante 5-jährige Therapiephase wird nur in ca. 30 Prozent der Fälle erreicht.
Bilden sich Metastasen oder Resistenzen, stehen weitere Optionen zur Verfügung. Einmal das Antihormon Fulvestrant, welches die Andockstellen für Östrogen unwiderruflich schädigt, oder eine Kombination aus Exemestan und Everolimus, eine Substanz, die in den Dominoeffekt der wachstumsvermittelnden Signalkaskade im Zellinneren eingreift. Ein Ansprechen wurde in der Zulassungsstudie Bolero-2 bereits nach sechs Wochen beschrieben, ebenso eine deutliche Verlängerung des disease free survival, das heißt, der Zeit bis zum erneuten Fortschreiten der Erkrankung. Erhebliche Nebenwirkungen können allerdings im Einzelfall einen Therapieabbruch erfordern, dennoch gilt die antihormonelle Behandlung in allen Krankheitsstadien bei östrogenrezeptor-positiven Patientinnen als Therapie der ersten Wahl.
VITAMIN D – DIE JANUSKÖPFIGKEIT EINES HORMONS
Der Frage, ob Vitamin D eine neue Antihormonbehandlung von Brustkrebs sein könnte, ging PD Dr. Marc Thill vom Brustzentrum des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Lübeck nach.
Die Frage ist einfach, die Antworten sind zahlreich und die Situation ist unklar!
Vitamin D ist ein Hormon, welches an entsprechende Zellrezeptoren koppelt und dort seine biologische Aktivität entfaltet. Es spielt eine wichtige Rolle im Körpergeschehen, da es unter anderem an der Regulierung des Zellwachstums beteiligt ist.
Die Bedeutung von Vitamin D für das Brustkrebsgeschehen wird bei unschlüssiger Datenlage kontrovers diskutiert. Die Bildung erfolgt unter Sonneneinstrahlung auf die Haut, und Sonnenexposition scheint mit einem geringeren Brustkrebsrisiko einherzugehen. Calcitriol, das biologisch aktive Abbauprodukt von Vitamin D, wirkt hemmend auf die Aromatase, jenes
Enzym, welches zur Herstellung von Östrogen benötigt wird. Je aggressiver ein Tumor, desto geringer ist jedoch dieser Effekt.
Ein Blutspiegel unter 20ng/ml gilt als Mangel, einer über 80-100ng/ml erreicht die Grenze zur Toxizität. 74 Prozent der Brustkrebspatientinnen haben niedrige Vitamin-D-spiegel, 69 Prozent sogar unzureichende. Auch ist ein höherer Mangel in der metastasierten Situation im Vergleich zu früheren Krankheitsstadien zu beobachten, wobei die niedrigsten Spiegel in den fortgeschrittensten Stadien auftreten. Bei einem Wert von 47ng/ml soll das Brustkrebsrisiko um 50 Prozent reduziert sein.
Welches die richtige Dosis/Zeit zur Erreichung eines angestrebten Spiegels ist, wird sehr unterschiedlich diskutiert. Höhere Dosen zur raschen Spiegelaufsättigung stehen Empfehlungen für eine niedrigere, langsamer wirkende Einnahme gegenüber, zumal die Gefahr der Bildung von Nierensteinen nicht vernachlässigt werden darf.
Fazit: das Thema Vitamin D stößt auf großes wissenschaftliches Interesse (1500 Studien in 2011), es gibt Hinweise auf eine Krebs vorbeugende Wirkung, der therapeutische Nutzen muss jedoch noch in Studien gezeigt werden werden (Ascent I-Trial, Ascent II-Trial).
NEUE THERAPIEN:
Neue Wege im Kampf gegen Brustkrebs beschrieb auch Prof. Dr. Elmar Stickeler von der Universitätsfrauenklinik Freiburg. Besonders dann, wenn unter der bisherigen Therapie Resistenzen auftreten, sollten neue Ansatzpunkte gewählt werden.
Für östrogenpositive, HER2-negative Tumoren ist dies die Substanz Everolimus, welche mTOR (mammalian Target of Rapamycin) hemmt, einen bei diesen Tumoren häufig fehlregulierten Knotenpunkt im Geflecht der Signalübertragungswege im Zellinneren. In Kombination mit Exemestan, welches die Östrogenrezeptoren an der Zelloberfläche angreift,
erfolgte die Zulassung für das metastasierte Stadium in 2012.
Auch bei HER2-positiven Patientinnen existiert im Fall einer Resistenzbildung eine neue Alternative: T-DM1, eine Kombination aus Trastuzumab, dem Antikörper gegen HER2, und Emtansin, einer zelltoxische Wirksubstanz. Trastuzumab dient hier als Träger, welcher das Emtansin gezielt in die HER2-positive Zellen transportiert.
In der EMILIA-Studie konnte im Vergleich zur Kombination Capecitabine/Lapatinib das progressionsfreie Überleben deutlich verlängert und eine Verminderung der metastatischen Ereignisse um 30 Prozent gezeigt werden.
Die klassische Trastuzumab-Therapie erfuhr durch die nun mögliche subkutane (unter die
Haut) Anwendung dieses Antikörpers eine wesentliche Erleichterung, ein Gerät zur Selbstinjektion ist derzeit in Erprobung. In der HannaH-Studie erwiesen sich Infusion und subkutane Applikation als therapeutisch gleichwertig, was ebenfalls für die Verträglichkeit gilt.
JEDEM BRUSTKREBS DAS SEINE:
Trotz zahlreicher neuer Möglichkeiten gilt jedoch: jedem Brustkrebs das Seine, betonte Dr. med. Wolfgang Abenhardt vom medizinischen Versorgungszentrum MOP in München. Auch haben die klassischen Zellgifte nach wie vor ihren Platz in der Brustkrebstherapie. Die Basis für diese personalisierte Medizin bilden die einzelnen Genexpressionsmuster der Brustkrebsuntergruppen (Subtypen), kombiniert mit dem Wert des Wachstumsmarkers Ki67 und der Zelldifferenzierung (G1, G2, G3). Die so mögliche Identifizierung von Patientinnengruppen mit einem niedrigen, mittleren oder hohen Risiko (MINDACT-Studie), erlaubt nun eine Entscheidung über die Notwendigkeit einer Chemotherapie, bzw. den Einsatz einzelner, zielgerichteter Medikamente. Noch nicht zugelassen, jedoch in der CLEOPATRA-Studie vorgestellt wurde Pertuzumab, welches an den HER2-Rezeptoren an der Zelloberfläche ansetzt und deren „Komplizenschaft“ (Dimerisierung) unterbindet. In Kombination mit Trastuzumab entsteht so eine duale Blockade der HER2-Rezeptoren, was zu einer bedeutsamen Verlängerung der rückfallfreien Zeit führt.
Die Gabe eines Bisphosphonats (hier Zoledronsäure) gemeinsam mit der Anwendung einer Antihormontherapie ab Therapiebeginn führt zu einem besseren Ergebnis als bei Verzicht auf die Zoledronsäure (AZURE-Studie, ZOFAST-Studie, ABCSG-Studie), dennoch besteht eine Zulassung für Zoledronsäure bisher nur für das metastasierte Stadium.
Den Nutzen des Zellgiftes Eribulin, gewonnen aus einem Meeresschwamm, der als Einzelwirkstoff (Monotherapie) eingesetzt wird, zeigte die EMBRACE-Studie. Die Besonderheit liegt in der Verbesserung der Überlebensrate bei stark vorbehandeltem und metastasiertem Brustkrebs unter dem Einsatz einer Einzelsubstanz, im Gegensatz zum Trend zu Kombinationstherapien.
TYROSINKINASE-HEMMER:
Auf Tyrosinkinase-Hemmer und Hemmer der DNA-Reparatur ging Prof. Dr. Volkmar Müller vom Universitäts-Klinikum Hamburg-Eppendorf ein. Was können wir von ihnen erwarten? Ist die Vision einer gezielten Schädigung von Tumorzellen in die Realität umzusetzen?
Tyrosinkinase-Hemmer sollen die Signalübertragung von der Zelloberfläche ins Zellinnere bremsen. In Kombination mit Trastuzumab, welches die Antennen (Rezeptoren) an der Zelloberfläche hemmt, kann so in einen längeren Teil des Wachstumsweges eingegriffen werden. Beispiel für einen Tyrosinkinasehemmer ist Laptinib, welches jedoch erst nach Versagen von Trastuzumab zum Einsatz kommt.
Mit großen Hoffnungen besetzt waren die sogenannten PARP-Hemmer, welche die genetische Selbst-Reparatur der durch Chemotherapie geschädigten Tumorzellen unterbinden sollten. Zum Teil enttäuschende Ergebnisse erfordern jedoch weitere Forschungsaktivitäten, insbesondere zur genauen Identifikation der Patientinnen-Gruppen, bei denen PARP-Hemmer wirken und jenen Untergruppen, die nicht von dem Medikament profitieren.
VON SCHLAFENDEN UND GÄHNENDEN UND HELLWACHEN KREBSZELLEN
Wie kommt es jedoch zu Metastasen? Ist das Knochenmark und sein Milieu der Ausgangspunkt? Prof. Dr. Ingo Diel aus der Schwerpunktpraxis für gynäkologische Onkologie in Mannheim nahm zu diesem grundlegenden Problem Stellung.
Die Wege der Metastasierung sind bis heute nur unzureichend geklärt. Tumorzellen zirkulieren im Blut und können ins Knochenmark (disseminierte Tumorzellen) einwandern,
wo eine lange Verweildauer möglich ist (dormant cells). Übereinstimmung herrscht darin, dass die Fähigkeit zur Metastasenbildung bei zirkulierenden Tumorzellen im Blut sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Haben metastierungsfähige Tumorzellen Stammzelleigenschaften, das heißt die ewige Fähigkeit zur Selbsterneuerung? Durch eine Knochenmarkspunktion können dort bereits eingetroffene metastasierungsfähige Zellen
erfasst werden, im Gegensatz zur versuchten Isolierung aus dem Blut, wo ein Teil der zirkulierenden Zellen nie ins Knochenmark einwandern und auch keine Metastasen bilden könnte. In Zellkulturen lässt sich anschließend die tumorzellzerstörende Wirkung von Bisphosphonaten (Zoledronsäure) untersuchen. Die Zahl der schlafenden Zellen (dormant cells), welche die Zoledronsäure aufnehmen können, verringert sich erheblich.
Studien mit Osteoporose-Patientinnen unter Bisphosphonattherapie zeigten ein um 30 Prozent verringertes Auftreten von Brustkrebs und Darmkrebs, auch die Metastasierungsrate bei bereits bestehender Erkrankung sank deutlich. Für weitere Forschungsvorhaben ist die Aufnahme von Patienten in gut geplante Klinische Studien von zentraler Bedeutung, Hoch- und Niedrig-Risiko-Patienten müssen getrennt untersucht werden, um den Vorteil der Therapie für eine bestimmte Gruppe zu ermitteln.
Wer profitiert nun von Bisphosphonaten im nicht metastasierten Stadium? Patientinnen mit einem aktivierten Knochenstoffwechsel, einem erhöhten Risiko (G3) und Tumorzellen im Knochenmark, sowie mit einem Knochenmasseverlust (Osteoporose). Ziel ist es, den Boden für eine Metastasierung durch Knochenfestigung unfruchtbar zu machen und die Verweildauer der Zellen im Schlafzustand (dormancy) zu verlängern.
WAS HAT MICHSÄURE MIT MEINEM KREBS ZU TUN?
Die unmittelbare Tumorumgebung, das Tumormikromilieu, scheint somit einen Einfluss auf den Metastasierungsvorgang zu haben. Aufgenommen wurde diese These von Prof. Dr. Günter Schlimok, dem Direktor der II. Medizinischen Klinik des Klinikums Augsburg.
Milchsäure als Hauptakteur im Krebskrimi, was hat man darunter zu verstehen? Milchsäure steht seit einigen Jahren bei der Betrachtung des Tumormikromilieus im Blickpunkt. Beim Abbau von Zucker entsteht Milchsäure und daraus Lactat, ein weiteres Abbauprodukt des Zuckerstoffwechsels. Ein erhöhter Zuckerstoffwechsel ist kennzeichnend für Tumorzellen und bedeutet gesteigertes Zellwachstum. Diese Eigenschaft macht sich die PET-Untersuchung zunutze, bei welcher radioaktiv markierte Zuckermoleküle zum Nachweis von Metastasen verwendet werden.
Beim normalen Zuckerabbau, der Zellen unter Sauerstoffeinfluss zur Energiegewinnung dient, entsteht nur ein geringe Menge Lactat. In Tumorzellen fallen dagegen in einem sauerstoffarmen Milieu große Mengen an Lactat an. Dahinter steht die Tatsache, dass Gene, welche für die Zellproliferation zuständig sind, gleichzeitig den Zuckerabbau anregen. In
einer Tumorzelle wird durch die Aktivierung von Signalwegen, welche einen Sauerstoffmangel befördern, derjenige Zuckerabbauweg angeregt, der zu einem vermehrten Anfall von Lactat führt. Hohe Lactatspiegel in einem Tumor erzeugen dabei eine Lahmlegung des Immunsystems (immunsuppressive Wirkung), erhöhen die Radioresistenz (geringere Empfindlichkeit der Tumorzellen für eine Bestrahlung), fördern die Neo-Tumorangiogenese (Bildung von Blutgefäßen zur Versorgung eines Tumors), steigern die Metastasierung und verschlechtern so die Überlebensaussichten für die Patientin.
Ein therapeutischer Ansatzpunkt wäre die Hemmung von Faktoren, welche in der Tumorzelle einen Sauerstoffmangel erzeugen. Prinzipiell ist festzuhalten, dass nicht der Zucker an sich das Problem darstellt, sondern seine abnorme Verstoffwechselung. Am Anfang stehen genetische Veränderungen an bestimmten Schaltstellen, zurückzuführen auf ein Versagen des genetischen Kontrollsystems.
TUMORSTAMMZELLEN – DIE UNENDLICHE GESCHICHTE
Bei der Stammzellenforschung steht dagegen weniger das Tumormikromilieu im Vordergrund, als eine Entartung im Prozess der Zellerneuerung. Diesem Thema widmete sich Prof. Dr. Bernd Groner vom chemotherapeutischen Forschungsinstitut im Georg-Speyer-Haus in Frankfurt.
Stammzellen können abgestorbene Zellen im Körper ersetzen, regenerieren sich selbst, teilen sich selten und bleiben das ganze Leben erhalten. Ähnliche Eigenschaften werden bei Tumorstammzellen vermutet. Ein Tumor kann sich unter Therapie zwar zurück bilden, Tumorstammzellen können jedoch überleben und irgendwann neues Wachstum starten. Die Existenz unterschiedlicher Fähigkeiten bei Tumorzellen zur erneuten Tumorbildung, erlaubt die Einteilung in verschiedene Subgruppen. Nur Zellgruppen mit Stammzelleigenschaften sind zu neuem Tumorwachstum fähig. Krebsstammzellen können also zu Rückfällen führen, sie sind therapieresistent. Ein therapeutisches Zielobjekt ist allerdings schon gefunden, das STAT3-Gen, ein in Brustkrebsstammzellen vorkommender Faktor, der die Vervielfältigung steuert. Wird er gehemmt, geht auch die Fähigkeit zur Verewigung der Zellen zurück.
Vor Verwirklichung einer Erfolg versprechenden Stammzelltherapie steht jedoch die genaue Identifizierung von Stammzellen, wofür leider noch keine ausreichend genauen Marker zur Verfügung stehen. Auch das Verständnis für die Eigenschaften von Krebsstammzellen und die Kommunikation der Zellen untereinander bedarf noch der Vertiefung.
WENN DER BRUSTKREBS WIEDERKOMMT
Aktuelle Therapien und neue Ausblicke, wenn Brustkrebs woanders wieder kommt, stellte Dr. Rachel Würstlein vom Brustzentrum Frauen- und Poliklinik der TU München vor. Brustkrebs ist eine systemische Erkrankung und metastasiert über Blut- und Lymphgefäße in andere Organe. Einfluss darauf haben das Alter einer Patientin und die Tumorbiologie.
In der Phase eines erstmals aufgetretenen Brustkrebses (Primärphase) ist das Mamma-Karzinom am besten zu behandeln, die Überlebensrate nach fünf Jahren beträgt inzwischen rund 80-90 Prozent. Die Metastasierung erfolgt vor allem in den Knochen, gefolgt von Leber- und viszeralen Metastasen. Dann sind in erster Linie die Lebensverlängerung und die Symptomlinderung, der Erhalt von Leistungsfähigkeit und Lebensqualität die Ziele der Therapie.
Der Nutzen und die Nebenwirkung einer Therapie sind deshalb sorgfältig abzuwägen, die
Behandlungsstrategie richtet sich nach langsamem oder raschem Fortschreiten der Erkrankung.
Bei hormonpositiven Brusttumoren gilt eine endokrine Therapie als Mittel der Wahl, wobei im metastasierten Stadium Medikamente eingesetzt werden, die zuvor noch nicht zur Anwendung kamen. Die Wahl einer Chemotherapie erfolgt bei lebensbedrohlichen Tochtergeschwülsten (Metastasen) und dann, wenn eine endokrine Therapie nicht mehr wirkt. Ob eine Mono- oder Polychemotherapie eingesetzt wird, richtet sich nach der individuellen Situation.
Deutliche Fortschritte erzielte bei HER2-positiven Tumoren der Einsatz von Trastuzumab, gegebenenfalls in Kombination mit Lapatinib, Bevacizumab oder einer Chemotherapie. Die Anwendung sollte so früh wie möglich erfolgen.
Neben den Bisphosphonaten steht seit kurzem der Antikörper Denosumab zur Verfügung, wobei Bisphosphonate bei Knochenmetastasen lebenslänglich eingesetzt werden sollten.
Die Therapieführung erfolgt individuell, lokal oder systemisch, in Form von Einzel- oder Kombinationstherapien und, wenn möglich, mit Pausen in einer stabilen Situation.
Bei Beschwerden, welche nicht innerhalb von vier bis sechs Wochen wieder abklingen, sollte grundsätzlich eine Abklärung erfolgen, wobei nur eine fachübergreifende, interdisziplinäre Behandlung mit einer vernetzten Betreuung, auch unter Einholung einer Zweitmeinung, angemessene Behandlungsqualität verspricht.
Die Bestimmung von Tumormarkern zur Verlaufskontrolle gibt weitere Sicherheit.
Zu berücksichtigen ist, dass verschiedene Metastasen unterschiedliche Eigenschaften aufweisen können, wobei sich die Therapie nach der größten Metastase richtet, da hier die Behandlungsdringlichkeit am höchsten ist.
NEUE KONZEPTE ZUR ENTFERNUNG VON LEBERMETASTASEN
Neue Konzepte zur Entfernung von Lebermetastasen stellte aus chirurgischer Sicht Prof. Dr. Roland Croner von der chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen vor.
Das Auftreten von Lebermetastasen beim Mamma-Karzinom liegt zwar unter zehn Prozent, jedoch ist bei „Diagnose Lebermetastasen“ häufig bereits ein fortgeschrittenes Stadium erreicht. Die Ursachen sind unbekannt, neben einzelnen Metastasen (sogenannten Oligometastasen) können mehrere oder kann ein diffuser Befall mit „Metastasenklecksen“ vorliegen, was zu einer Metastasenleber führen kann.
Beim Vorliegen von Lebermetastasen sollte immer auch ein Screening anderer Organe (Lunge) oder Systeme (Knochen) erfolgen. Therapeutische Möglichkeiten sind eine Chemotherapie zur Verkleinerung der Metastasen, sowie operative Eingriffe wie die operative Entfernung (Resektion), RFA (Radiofrequenzablation), LITT (Laser induzierte Thermotherapie) und SIRT (Selektive Interne Radiotherapie).
Um alle Metastasen zu erfassen, ist eine Ultrasachall geführte Operation sinnvoll. Entfernt werden können einzelne Lebersegmente oder auch ein ganzer Leberlappen, wobei das verbleibende Lebervolumen zur Vermeidung von Leberversagen nicht unter 30 Prozent fallen sollte. Eine erfolgreiche chirurgische Behandlung ist bei Einzelmetastasen durchaus möglich, nicht jedoch bei einem diffusem Befall. Die frühzeitige Konsultation eines Leberchirurgen ist deshalb unbedingt anzuraten.
Neu ist die minimal invasive Leberchirurgie in Form von laparoskopischen Eingriffen, einen weiteren Fortschritt bedeutet die Roboter assistierte Operation (das sogenannte Da-Vinci-System).
OPERATION ABWEHRSYSTEM – DAS GUTE UND DAS BÖSE
Neben der chirurgischen Operation gibt es jedoch auch die Operation Abwehrsystem. Dr. Christoph Domschke von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg erklärte, wie Immunzellen gegen Brustkrebszellen in Stellung gebracht werden können.
Bereits 1863 entdeckte Rudolf Virchow die Infiltration von Tumorzellen durch Immunzellen. Heute weiß man genauer, dass T-Zellen Tumorzellen angreifen können und das Gesamtüberleben bedeutsam verlängert ist, wenn ein Tumor von sogenannten Immunzellen mit dem Namen CD8+-T-Zellen durchsetzt (infiltriert) ist.
Tumorspezifische Abwehrzellen finden sich im Knochenmark, wo sie durch Erkennen von ganz bestimmten Oberflächenmerkmalen von Krebszellen (Tumorantigenfragmente) in Alarmbereitschaft gesetzt werden. 40 Prozent der Mamma-Karzinom-Patientinnen haben zum Zeitpunkt der Erstdiagnose solche tumorantigenreaktiven T-Zellen und mittels Laboruntersuchungen kann heute sogar nachgewiesen werden, dass diese in der Lage sind, Tumorzellen zu killen (Tumorlyse).
Impft man Tumor tragende Mäuse mit scharfgemachten tumorreaktiven T-Zellen, so ist im Vergleich zur ungeimpften Kontrollgruppe kein Tumorwachstum mehr zu erkennen.
Der therapeutische Einsatz von T-Zellen steht in intensiver Erforschung, Zwischenergebnisse
zeigen, dass durch Entnahme tumorreaktiver T-Zellen von Patientinnen und Wiederübertragung (Retransfusion nach Aktivierung) immunologische Reaktionen entstehen können. Dann spricht man von einem Ansprechen (responder). Bei respondern ist das Überleben deutlich verlängert.
Allerdings gibt es auch ein böses Immunsystem: dabei unterdrücken sogenannte überaktivierte regulatorische T-Zellen die Immunantwort. Deren Aufgabe es ist ursprünglich, den Körper vor einer Autoimmunerkrankung wie etwa Rheuma, zu schützen. Eine Hemmung dieser Zellen durch das Chemotherapeutikum Cyclophosphamid in niedriger Dosierung ist möglich, wodurch die Zahl der responder dann von 27 Prozent auf über 90 Prozent steigt.
IN DER WERKSTATT DES ERBGUTS
In die DNA-Reparaturwerkstatt führte der Gewinner des Busenfreund-Awards 2012, Prof. Dr. Peter Schmid von der Brighton & Sussex Medical School in Brighton East Sussex, in seinem Vortrag.
Die Möglichkeit einer DNA-Reparatur ist für das Verhalten einer Krebszelle von grundlegender Bedeutung. Die Ursachen für Erbgutschäden reichen von Umgebungsfaktoren über Stoffwechselprodukte bis zu Alterserscheinungen. Eine in ihrem Erbgut geschädigte Zelle, die nun nicht eines natürlichen Zelltodes stirbt (Apoptose), wächst weiter und kann zu Krebs entarten.
Unser Erbgut, das heißt, die DNA, besteht aus einem die Erbinformationen tragenden Doppelstrang, der im Falle von Schäden normalerweise durch verschiedene hochkomplexe Mechanismen wieder repariert wird. Auch Krebszellen verfügen über einen derartigen Reparaturmechanismus, hier soll er aber gehemmt werden, um eine weitere Zellteilung zu verhindern. Hier kommen die bei den schwer zu fassenden Triple-negativen Brusttumoren eingesetzten sogenannten PARP-Hemmer ins Spiel, denn bei dieser Untergruppe von Brustkrebs sind häufig Strangbrüche im Erbgut zu beobachten. Einzelstrangbrüche können noch repariert werden, nicht jedoch Doppelstrangbrüche, wie sie beispielsweise durch eine Chemotherapie ausgelöst werden. Hemmt man zusätzlich die Fähigkeit zur Reparatur von Einzelstrangbrüchen, geht die Krebszelle zu Grunde.
Leider ist dieser vielversprechende Weg nicht ohne Hindernisse, die sichere Identifikation der passenden Patientengruppe und die genaue Definition der PARP-Hemmer stoßen immer noch auf Probleme. Eine präoperative Fensterstudie (window study), will heißen, man bringt den PARP-Hemmer noch vor der Operation direkt in den Tumor ein, soll hier Aufschluss geben.
DAS PI3K-GEN – DER GEGENSPIELER VON PTEN
Eine weitere genetische Zielstruktur beschrieb PD Dr. Cornelia Liedtke vom Universitätsklinikum Münster. Das PI3K-Gen steht in Zusammenhang mit einem der wichtigsten Signalwege für das Wachstum von Brustkrebs. Es bildet einen Knotenpunkt im Verlauf der wachstumsvermittelnden Signalkaskaden im Zellinneren. Gegenspieler von PI3K ist PTEN, eine Phosphatase und ein wichtiger Tumorunterdrücker (Tumorsuppressor). Ist PTEN gestört, wird PI3K überaktiviert, und die Entstehung oder das Fortschreiten von Brustkrebs wird ermöglicht.
Zur prognostischen Bedeutung von PI3K existieren bislang widersprüchliche Angaben. Bekannte Hemmstoffe wie Lapatinib, Trastuzumab und Bevacizumab sollen durch spezielle Wirkstoffe ergänzt werden, die derzeit in der Entwicklung sind.
Therapeutische Ziele sind die Überwindung von Resistenzen in der endokrinen und in der Anti-HER2-Therapie, sowie die Nutzung als neuen therapeutischen Angriffspunkt beim Triple-negativen Brustkrebs.
NACHSORGE – MÜSSEN DIE LEITLINIEN UMGESCHRIEBEN WERDEN?
N ach der eingreifenden therapeutischen Primärphase, häufig verbunden mit erheblichen Nebenwirkungen, ist eine geeignete Nachsorge das zentrale Anliegen der Patientinnen. Über den Begriff geeignet bestehen allerdings weit auseinander gehende Meinungen.
Für eine intensivierte Nachsorge plädierte Prof. Dr. Siegfried Seeber vom ambulanten Tumorzentrum Essen, der bei früh entdeckter Metastasierung und optimaler Behandlung eine Heilungsrate von 60-70 Prozent nennt. Diese frühe Entdeckung ist jedoch bei einer lediglich auf körperlichen Anzeichen eines Rückfalls orientierten Nachsorge (sogenannte symptomorientierten Nachsorge) kaum möglich, denn treten erst einmal Symptome auf, ist die Erkrankung bereits weiter fortgeschritten. Das Auffinden einer einzelnen Metastase (oligotope Metastasierung oder Oligometastasierung) bietet die besten Aussichten für weitere Lebensjahre ohne erneuten Rückfall, wenn mit neuen Medikamenten adäquat behandelt wird. Das therapeutische Vorgehen ist dabei am Einzelfall auszurichten und erfordert hohe Flexibilität und Expertise des Therapeuten.
Dagegen stand die Position von Prof. Dr. Bernd Gerber von der Universitätsfrauenklinik Rostock. Eine frühe Erkennung des Rückfalls nach Brustkrebs, erreichbar durch vermehrte bildgebende und labortechnische Diagnoseverfahren, verlängere nicht die Gesamtüberlebenszeit, sondern verlege nur den Diagnosezeitpunkt nach vorne, wodurch die Patientin länger mit dem Krankheitsgeschehen konfrontiert sei. Auch sei im Falle einer Metastasierung derzeit keine Therapie mit Anspruch auf Heilung verfügbar. Es gäbe zwar gut wirksame neue Substanzen, jedoch seien die Nebenwirkungen so stark, dass die Lebensqualität massiv absinke. Auch wären die fortgeschrittenen Tumore molekularbiologisch komplexer als in der Primärphase und eine Rückbildung schwerer zu erreichen. Prof. Gerber betonte, die Empfehlungen zur Symptom orientierten Nachsorge gälten weltweit.
Einen Ausweg aus diesen gegensätzlichen Positionen könnte eine prospektive, randomisierte Nachsorgestudie bieten, in welcher die Überlebenszeiten von Patientinnen mit derzeit gültiger Nachsorge oder mit einer Frühbehandlung von Metastasen bereits im asymptomatischen Stadium verglichen wird.
Eine derartige Studie ist bei Dr. Petra Stieber vom Institut für Klinische Chemie der Universitätsklinik München unter Beteiligung der PONS-Stiftung (www.pons-stiftung.org) in Planung. Ziel ist die Erfassung der oligotopen Metastasierung, wobei Nachsorge-Zeitpunkt und Nachsorge-Intensität angepasst werden soll an die verschiedenen Risikokonstellationen und molekularen Subtypen von Brustkrebs. Die Einteilung (Stratifizierung) in Untergruppen erlaubt die Bestimmung einer Hochrisikogruppe (geplant sind hier eine sensitive Ganzkörperbildgebung mit PET-CT oder PET-MRT plus Bestimmung der Tumormarker) und eine Niedrigrisikogruppe, bei welcher nur die Tumormarker erhoben werden.
Patientinnen mit einem hohen Risiko (etwa die Triple-negativen Tumore oder HER2-positiven Tumore) sollen von Beginn an in eine enge Kontrolle einbezogen werden, Patientinnen mit einem zunächst niedrigen, dann aber mit den Jahren ansteigendem Risiko, erst nach einigen Jahren (Luminal-A-Tumore: 4 Jahre, Luminal-B-Tumore: 1,5 Jahre) .
Die Tumormarkerwerte, die den Verlauf der individuellen Erkrankung wie Taktgeber anzeigen sollen, sind dabei nicht über den Grenzwert (cut-off) zu beurteilen, sondern am individuellen Anstieg nach Ermittlung eines persönlichen Basiswerts. Falsch positive Befunde
können auf diese Weise minimiert werden. Die Werte vor OP und vier Wochen nach Ende der ersten Therapiephase sind hierbei Ausschlag gebend. Wichtig sei auch – so Dr. Petra Stieber - die Beibehaltung des immer gleichen Testverfahrens, um fundierte Aussagen zu erhalten. Steigerungsraten, bei denen man hellhörig werden sollte, sind 75 Prozent beim CA 15-3, 150 Prozent beim Ca-125, 100 Prozent beim CEA und 50 Prozent beim HER2. Die Anstiege müssen nachvollziehbar sein, das heißt, eine Nachkontrolle zwei Wochen später
ist notwendig. Auch sollten Tumormarker nicht im Verlauf einer anderen Erkrankung (Grippe, Fieber, etc.) gemessen werden, da in diesem Fall die Werte nicht aussagekräftig sind.
KANN BRUSTKREBS FRÖHLICHKEIT NICHT LEIDEN?
Was passiert nun, wenn wir trotz allem, was wir hinter uns haben mit der „Diagnose Brustkrebs“ noch fröhlich sind? Dieser von Kongresspräsidentin Ursula Goldmann-Posch gestellten Frage ging Prof. Dr. Dr. Christian Schubert vom Labor für Psychoneuroimmunologie an der Universitätsklinik für medizinische Psychologie und Psychotherapie in Innsbruck nach.
Positive oder negative Gefühle wirken über Stressachsen auf das Immunsystem, das heißt, es bestehen Wechselwirkungen zwischen psychischen Faktoren und der Körperabwehr.
Chronischer Stress und Depressionen verringern die Zahl von Abwehrzellen und steigern Entzündungsreaktionen, die das Entartungsgeschehen negativ beeinflussen. Um Entzündungen zu kurieren ist auch das Krankheitsverhalten (sickness behavior) von Bedeutung: Energie muss konserviert und Überlastung vermieden werden, um einen Heilungsprozess zu ermöglichen.
Optimismus, also eine positive Grundhaltung, führt zu einer gesteigerten Immunaktivität (die Zahl der Killerzellen und T-Lymphozyten steigt) und einem verbesserten psychischen Wohlbefinden. Dieses soll wiederum Entzündungen verringern und ist zu erreichen über harmonische Beziehungen, das Gefühl von Autonomie und Kontrollierbarkeit der Umgebung, Selbstannahme und einem Empfinden für die Sinnhaftigkeit des Lebens. Ist als Reaktion auf die Erkrankung ein sogenanntes posttraumatisches Wachstum möglich, gelingt es also, mit großer Befriedigung neue Lebensstrategien zu entwickeln, verbessert sich ebenfalls die Immunaktivität der Brustkrebspatientin.
Aber auch Religiosität hat eine positiven Einfluss. Religiöse Menschen sind weniger depressiv, optimistischer und haben mehr Vertrauen in die Zukunft, was Angst abmildert und Stressgefühle sinken lässt. Entzündungsparameter nehmen ebenfalls bei Brustkrebspatientinnen ab, die Achtsamkeitsübungen durchführen (mindfullness stress reduction), auch wird der Gruppenpsychotherapie (kognitiv-behaviorales Stress Management) ein Gewinn bringender Effekt zugesprochen, denn die Wahrnehmung sozialer Unterstützung und Geborgenheit in einer Gruppe mindert Stressgefühle erheblich.
Trotz dieser tröstlichen Erkenntnisse ist jedoch Vorsicht vor Vereinfachungen und vorschnellen Schlussfolgerungen geboten, denn die psychoneuroimmunologische Forschung leidet teilweise noch unter methodischen Problemen.
SCHULD UND SÜHNE – KEIN PLATZ BEI BRUSTKREBS
Die Hinwendung zu sich selbst und die Erforschung der Frage: was geht in mir vor, empfahl der international renommierte Chirurg Prof. Dr. Dr. Raimund Jakesz von der Klinischen Abteilung für Allgemeinchirurgie der Medizinischen Universität Wien.
Eine Erkrankung habe zwar einen Grund, jedoch seien Schuldzuweisungen unangebracht. Schuld, Strafe, Sühne haben keine Bedeutung. Sinnvoll ist dagegen die Beantwortung der Frage: wie bin ich dahin gekommen, Brustkrebs zu bekommen, und, wie finde ich wieder heraus?
Krankheit ist ein Zeichen: was ist es, das kränkt? Unser Körper steht unter dem Einfluss von Bewusstsein, Emotionen, Gedanken und es ist nötig, sich dieser Ganzheitlichkeit zu öffnen.
Eine Krankheit ist Ausdruck meines Lebens und sollte die Überlegung anregen, wie ich eine Änderung herbei führen kann.
Ich erschaffe meine Gesundheit oder Krankheit durch Freude oder Leid, Gelassenheit oder Unruhe, Glücksseligkeit oder Trauer. Persönliche Erfahrungen erlauben Entscheidungen nach freiem Willen.
Die Frage, was ist mein Schatten, kann weiter helfen. Was will ich an mir heilen? Woraus will ich mich lösen? Schatten beinhaltet alles, was mich von Lebensfreude, Glück und Vollendung trennt. Was mich kränkt, macht krank. Dadurch erlauben wir jedoch dem Anderen, über uns selbst zu herrschen.
Unsere Wahrnehmung, Haltung und Meinung ist oft nach außen gerichtet, statt auf uns selbst. Wir sollten fragen, wie wir uns selbst durch unser Denken, Fühlen und Handeln heilen können. Ich will mich ansehen, in mich horchen, meine Sehnsucht fühlen und meine Begrenzungen spüren.
Bei Brustkrebserkrankungen stellen sich Fragen nach der Nahrung für sich und Andere.
Heilung bedeutet Arbeit an der eigenen Trauer, bis die Freude wiederkehrt. Ich programmiere mich neu und lasse mir meinen Anteil an meiner Heilung nicht nehmen.
Diese Gedanken waren weit entfernt von hochtechnisierten schulmedizinischen Prinzipien
und hatten einen Bezug zu psychosomatischen Denkansätzen, die im medizinischen Alltag nur selten berücksichtigt werden. Dennoch, die Betonung der individuellen Situation harmoniert mit den Prinzipien der personalisierten Medizin.